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Zur Psychotherapie fremdsprachiger Patienten ohne Dolmetscher

von Lea Dohm

Meine These: Die Arbeit mit Patienten aus verschiedenen Kulturen ist herausfordernd und bereichernd zugleich. Sie fungiert als Vorbild für Integration und Gastfreundschaft und hat somit besondere gesellschaftliche Bedeutung.

Die Diskussionen um Patienten, die unsere Sprache nicht sicher sprechen, haben infolge des Flüchtlingszustroms 2015 deutlich zugenommen. Viele Kollegen verlangen als Voraussetzung für die Behandlung nach Dolmetschern bzw. lehnen bestimmte Sprachmittler aufgrund des Verstrickungspotentials direkt ab. Tatsächlich ist die Arbeit mit fremdsprachigen Patienten herausfordernd – unsere beruflichen Routinen stehen uns nur eingeschränkt zur Verfügung. Und gerade in der Psychotherapie ist die Sprache elementar.

Dazu kommen Vorbehalte gegenüber der Behandlung komplexer Traumafolgestörungen (hohes Anforderungsniveau, langwierig, viel Vernetzung erforderlich, auch für den Therapeuten belastend…). Das verursacht Verunsicherung. Aber wer, wenn nicht wir sollte sich dem aussetzen?

Wie soll das gehen?

Für Psychotherapie ausgebildete Dolmetscher stehen kaum zur Verfügung. So ist es zunächst eine niedrigschwellige Lösung, Familienangehörige oder Bekannte mit besseren Sprachkenntnissen dazu zu laden. Das birgt aber viel Verstrickungspotenzial. Meine Erfahrung ist hier: auch eine komplett dolmetscherfreie Psychotherapie ist möglich:

Erfahrungen in diesem Bereich begann ich während meiner Arbeit in der Akutpsychiatrie, Duisburg Marxloh, zu sammeln. Viele Patienten dort sprachen kaum Deutsch, Dolmetscher standen so gut wie nie zur Verfügung (wenn doch, wurde es oft auch nicht einfacher) und dennoch war klar, dass diese Patienten wie alle anderen psychotherapeutisch versorgt werden müssen. Also begann ich mir anders zu behelfen.

Inzwischen arbeite ich in eigener Praxis und schätze die Arbeit mit fremdsprachigen Patienten aufgrund ihrer Besonderheiten. Ich nehme diese selbst bei äußerst geringen Deutschkenntnissen in die Psychotherapie auf, solange eine noch ausreichend gute Prognose dies zulässt. Ein klares Vorgehen gibt es dabei nicht, wäre aufgrund der massiven individuellen Unterschiede wohl auch kaum zu definieren.

Viele Patienten können zumindest etwas Englisch oder Französisch oder einfachste Dialoge auf Deutsch führen. Es gibt gute und schnelle Übersetzungs-Apps, die bei einzelnen, wichtigen Fragen zu Rate gezogen werden können. Familienstammbäume können aufgezeichnet werden, Geburts- und Todesjahrgänge einzutragen ist in Zahlen immer möglich. Die Einladung von Angehörigen kann zurückhaltend, aber wiederholt genutzt werden.

Ein außerordentlich großer Teil der Behandlung findet nonverbal statt und ist auch tatsächlich nonverbal möglich. Allein durch das ehrliche Zugewandtsein, die uneingeschränkte Aufmerksamkeit und das Bemühen um Verständnis erfahren die Patienten bereits wichtige Wirkfaktoren von Psychotherapie und in der Folge eine erste Entlastung. Das kann zudem eine erhebliche Motivation sein, schnellstmöglich das eigene Deutsch zu verbessern.

In diesem Zusammenhang sollten wir uns auch fragen: Wie lange ist der Patient schon in Deutschland? Wie lange dauert es, die deutsche Sprache zu beherrschen? Die Allermeisten können bereits innerhalb weniger Wochen immense Fortschritte erzielen. Gelingt dies nicht, gilt es zu hinterfragen, woran es scheitert. Eine Langzeit-Psychotherapie umfasst einen Zeitraum von mehreren Jahren. In diesem Zeitraum werden sprachliche Fortschritte in der Regel sichtbar und nutzbar.

Bitte haben Sie den Mut für diese Behandlungen!

Nehmen Sie gerne auch persönlich Kontakt mit mir auf. Infos unter www.psychotherapiedohm.de

Über den Autor

Lea Dohm

Dipl.-Psych., Psycholog. Psychotherapeutin. Niedergelassen als tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapeutin in Stadthagen. Arbeitet gerne auch mit Gruppen und sieht Psychotherapeuten in besonderer sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung.

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